Kann Holz eine Alternative zu mineralischen Baustoffen sein?
In einem „Positionspapier für Wettbewerbsgleichheit und Technologieoffenheit in der Bauwirtschaft“ fordern 30 Verbände und Institutionen der Bau- und Baustoffwirtschaft Fairness im Wettbewerb aller unterschiedlichen Baustoffe im Hochbau. Es kann nicht sein, ausschließlich eine Baustoffart über spezielle Förderungen oder sogar Quoten auf eine Weise zu privilegieren, die im Ergebnis durch gezielte staatliche Wettbewerbsverzerrung zu einer Schieflage führt.
Vom 24. bis 25. September 2020 findet in Weimar die nächste Bauministerkonferenz statt, die unter anderem eine weitere Förderung des Holzbaus bis hin zu einer festen „Holzquote“ beschließen könnte. Zahlreiche Verbände und Organisationen der mineralischen Roh- und Baustoffindustrie haben dazu unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) ein auch vom Bundesverband Mineralische Rohstoffe (MIRO) mitgezeichnetes Positionspapier als Gegengewicht zur Holzoffensive auf den Weg gebracht. „Vor einer solch weitreichenden Entscheidung müssen die Argumente und Vorteile aller Baustoffsparten substanziell bewertet werden! Ebenso wichtig ist eine Folgenabschätzung. Sie muss sich den Kosten widmen, die heimische Rohstoffverfügbarkeit betrachten sowie gemittelte Transportdistanzen und Recyclingfähigkeit vergleichen“, fordert Susanne Funk, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Mineralische Rohstoffe e.V.
Faire Bewertung statt verzerrender Förderung
Bereits jetzt schreiben manche Städte und Kommunen öffentliche Bauten nur noch in Holzbauweise aus und legen zum Teil dahingehende Förderprogramme auf. Falls nun zusätzlich, wie es die Verbände der Holzwirtschaft auf Bundes- und Länderebene fordern, für alle Gebäude Holzbauquoten in der Größenordnung von 30 Prozent bis 2030 und 50 Prozent bis 2050 inklusive einer umfassenden Förderung durch die Politik festgeschrieben werden sollten, hat das für den Hochbau und die Bauwirtschaft drastische Konsequenzen. Ein Eingriff dieser Art wäre nichts weniger als staatlich initiierte Wettbewerbsverzerrung.
Bislang werden Wohn- und Nichtwohnbauten in allen deutschen Bundesländern überwiegend in Massivbauweise aus Beton und Mauerwerksbaustoffen errichtet. Je nach Lage und Eignung trägt der Holzbau ebenfalls seinen Teil zur Lösung der Wohnraumfrage bei. Massivbau und Holzbau ergänzen sich sinnvoll. Außerdem ist das „reine Holzhaus“ ebenso eine Illusion, wie das „reine Stein- bzw. Massivhaus“. Nach guter fachlicher Praxis braucht das Holzhaus ein massives Fundament aus mineralischen Baustoffen – während das Massivhaus Holz für den Dachstuhl braucht usw. Letztlich sind alle Gebäude heute schon Hybridbauten, was das sinnvolle Miteinander der verschiedenen Baustoffe verdeutlicht.
Im „Nachhaltigkeitszeitalter“, das wir gerade durchlaufen, ist es freilich normal, Bestehendes zu prüfen. Dabei sollten auf die Fragen „Was spricht für Holz, was spricht für mineralische Roh- und Baustoffe?“ gründlich und ehrlich recherchierte Antworten folgen.
Ein Check im Detail und im Ganzen
Transportentfernungen
Die Ökobilanz von Holz gilt als uneingeschränkt vorteilhaft. Das stimmt insbesondere dann, wenn etwa ein Blockbohlenhaus aus Bäumen von Wäldchen um die Ecke gebaut werden soll. Genau diese Möglichkeit besteht großräumig aber nicht. Zwar ist Deutschland etwa zu einem Drittel von Wald bedeckt, doch zum Bauen ist vor allem Nadelholz gefragt. Infolge des forstpolitischen Zieles, mehr standortgerechte, strukturreiche Mischwälder zu entwickeln, sinkt der Nadelholzanteil gegenüber dem Laubholz seit Jahren. Unabhängig davon ist Deutschland wegen gestiegener Nachfrage längst zu einem Importland für Holz geworden. Daran ändert auch das große Holzangebot nichts, das kurzfristig auf Grund der Borkenkäferplage auf den Markt kommt. Im Export-Import-Vergleich wurden bereits 2008 über 5 Mio. m³ mehr ein- als ausgeführt (siehe WWF-Studie „illegaler Holzeinschlag und Deutschland – eine Analyse der Außenhandelsdaten“). Eine bedarfsdeckende heimische Verfügbarkeit ist anders als bei mineralischen Baurohstoffen demnach nicht mehr gegeben. Selbst Holz, das aus Deutschland verfügbar gemacht werden kann, legt im Schnitt 175 km Transportstrecke zurück. Als Importprodukt absolviert es gar durchschnittlich 950 km – und das überwiegend per Lkw. Zum Vergleich: Die Transportentfernung heimischer Sande, Kiese, Schotter und Splitte für die mineralische Baustoffproduktion beträgt im Schnitt 35 km. Zusammengefasst ist beim Holz also ein Verfügbarkeitsproblem aus heimischen Quellen zu bemängeln.
Klima, CO2
Was lässt Holz besonders „ökologisch“ erscheinen? Natürlich die Emotion, die sich damit verknüpft. Es fühlt sich warm an, hat CO2 gespeichert und hält es fest. Bei der Produktion von Massivbaustoffen wird derzeit verfahrensbedingt noch CO2 frei. Allerdings rüstet sich die gesamte mineralische Roh- und Baustoffindustrie für eine CO2-neutrale Produktion bis zum Jahr 2050. CO2-neutral produzierte mineralische Baustoffe werden dafür sorgen, dass es zu einer neuen ökologischen Bewertung der entsprechenden Bauwerke kommt.
Doch selbst unter der noch gegebenen CO2-Situation muss für eine ehrliche und vergleichbare Bewertung die gesamte Nutzungsdauer von Gebäuden herangezogen werden. Berechnungen der TU Darmstadt bei vergleichenden Untersuchungen zum Treibhauspotenzial und zum Primärenergieverbrauch von Holz- und Massivbauten haben ergeben, dass sich mit fortschreitender Nutzungsdauer die Ökobilanz zugunsten mineralischer Baustoffe verschiebt. Parität zwischen beiden Bauweisen stellt sich etwa nach 50 Jahren ein. Werden Gebäude aber 60, 80 oder mehr Jahre genutzt, dann setzen sich Massivbauweisen an die Spitze. Bei Gebäuden, die auf eine lange Lebensdauer ausgelegt sind, schneiden mineralische Baustoffe deshalb selbst unter strengsten Umweltgesichtspunkten positiver ab.
Recyclingfähigkeit
In der Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden spielt auch deren Recyclingfähigkeit eine Rolle. Mineralische Baustoffe aus dem Rückbau eines Hauses lassen sich aufbereiten und zu über 90 Prozent als mineralischer Sekundärbaustoff erneut schadlos verwenden. Hingegen ist das für eine Baumaßnahme vormals behandelte Holz stofflich nicht auf gleiche Weise wiederverwendbar. In der Regel wird es deshalb thermisch verwertet, sprich: verbrannt, und gibt bei dieser Gelegenheit das gebundene CO2 wieder ab.
Sozialer, kostengünstiger Wohnungsbau
Es ist teuer, auf Holzbauweisen zu setzen. Außenwände aus Holz sind pro Quadratmeter bis zu 20 Prozent teurer als Wände aus Mauerwerk oder Beton. Dem gegenüber steht die soziale Frage, die darin besteht, wie es gelingen kann, die jährlich in Deutschland zusätzlich benötigten rund 375.000 Wohnungen kostengünstig zu errichten. Hier hat der Massivbau eindeutig die Nase vorn, ebenso wie beim Wärme-, Lärm- und Brandschutz.
Fazit: Jeder Bauherr soll bauen (dürfen), wie er mag. Die Nachhaltigkeit von Bauwerken über ihre Nutzungszeit zu betrachten, sollte der Schlüssel zur Entscheidung sein.
Jetzt und zu jeder Zeit ist es unabhängig davon aber fahrlässig, den fairen und freien Wettbewerb, der in einer Marktwirtschaft gewährleistet sein muss, über Quotenregelungen zugunsten einzelner Baustoffe und Bauweisen auszuhebeln. Technologieoffenheit heißt, dass mit allen Bauprodukten und Bauweisen zum Erreichen der politischen inklusive der ökologischen Zielsetzungen technologieoffen beigetragen wird.
Das „Positionspapier für Wettbewerbsgleichheit und Technologieoffenheit in der Bauwirtschaft“ ist abrufbar unter: https://www.bv-miro.org/download/positionspapier-anlage-neu-stand-10-09-2020/