Die Kürung des Gesteins des Jahres ist noch vergleichsweise jung. Trotzdem kann man in unserer Branche mittlerweile von einer Tradition sprechen, die sich großer Beliebtheit erfreut. Erstmalig wurde im Jahr 2007 mit dem Granit ein Vertreter der unbelebten Natur zum Gestein des Jahres gewählt. Es war der Beginn einer Erfolgsgeschichte – die in diesem Jahr mit dem Suevit fortgeführt wird.
Vom Unbewegten, das bewegt
Im Falle des Suevits ist es sogar so, dass erst extreme Bewegung zu diesem faszinierenden unbewegten Ergebnis führt. Denn dieses faszinierende Gestein ist ein sogenannter Impaktit, also ein Gestein, das durch den Aufschlag eines Meteoriten entstanden ist. Es handelt sich um eine polymikte (= aus vielen verschiedenen Gesteinen zusammengesetzte) Breccie*, die neben zahlreichen Gesteinsbruchstücken auch nennenswerte Anteile von ehemals durch den Asteorideneinschlag aufgeschmolzenem Material aufweist. Eine Besonderheit des Suevits sind die Minerale Stishovit und Coesit, die nur bei extrem hohen Drücken und Temperaturen entstehen. Der Suevit des Rieskraters** ist eine graue, manchmal rötliche bis grünliche, oft mäßig verfestigte Breccie mit schwarzen glasigen Schlieren („Flädle“) und hellen Einsprenglingen, vor allem aus dem kristallinen Krateruntergrund. Das Gestein ist zwar selten, dafür ist aber seine spektakuläre Entstehung leicht nachvollziehbar und lässt sich überaus publikumswirksam in Szene setzen.
Die Geschichte des Suevit
Die Bezeichnung Suevit geht auf den Geologen Adolf Sauer zurück, der den Namen 1919 erstmals prägte. Der Name leitet sich vom lateinischen Suevia für Schwaben ab und bedeutet Schwabenstein. Lange Zeit wurde Suevit als vulkanisches Tuffgestein („Trass“) angesehen. Wobei die Hypothese einer Entstehung infolge eines Impaktes immer wieder diskutiert wurde. So war es 1936 der Freiberger Brennstoffgeologe Otto Stutzer, der auf der Hauptversammlung der Deutschen Geologischen Gesellschaft nach einem Besuch des Arizona-Kraters für den „Meteor Crater“ eindringlich warb. Erst in den 1960er Jahren setzte sich die heutige Deutung des Rieskraters und damit auch des Suevits als Produkt eines Asteorideneinschlags tatsächlich durch. Mit einem nahezu kreisrunden Durchmesser von etwa 24 km zählt er zu den am besten erhaltenen Impaktkratern der Erde. Der Name Suevit wird inzwischen international auch für Gesteine in anderen Meteoritenkratern verwendet. Der Asteorideneinschlag, der zur Entstehung des Nördlinger Ries führte, ereignete sich vor etwa 14,8 Mio. Jahren. Durch den Einschlag und die explosionsartige Verdampfung wurde das anstehende Gestein in einem Gemisch aus Bruchstücken, feinst zerkleinertem Material und Schmelzfetzen bis in eine Tiefe von 600 m ausgeworfen. Der Rückfall- oder Kratersuevit füllte den Einschlagskrater mit einer Mächtigkeit von etwa 300 bis 400 m weitgehend aus. Außerhalb des Kraters finden sich bis in über 20 km Entfernung Ablagerungen von Auswurfsuevit, der sich in Mächtigkeiten von durchschnittlich 12 m aus der Glutwolke auf die ebenfalls kurz zuvor abgelagerte Bunte Breccie legte.
Alltag durch Steine
Gesteine sind für uns von zentraler Bedeutung als Werksteine für Bauwerke, als stoffliche Grundlage für Architektur und bildende Kunst (Skulpturen), als Zuschlagstoffe für das Bauwesen (Sand, Kies, Naturstein, Kalkstein, Gips) sowie als Grundstoffe für die verschiedensten Industriezweige (Chemie, Papier, Keramik, Kosmetik, Lebensmittel). Mit der Nominierung des Suevits zum Gestein des Jahres 2024 soll das Gestein einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht und allgemein auf die Bedeutung der Geowissenschaften und Gesteine im täglichen Leben hingewiesen werden. Zahlreiche Akteure machen mit eigenen Aktivitäten auf die Aktion aufmerksam. Mittelpunkt bildet dabei häufig die offizielle Taufe.
Jährlich wird das Gestein des Jahres von einem Fachkuratorium unter Federführung des Berufsverbandes Deutscher Geowissenschaftler (BDG) e. V. ausgewählt. Die Initiative hat zum Ziel, über die Bedeutung von Gesteinen zu informieren, vor allem aber geowissenschaftliche Themen einer möglichst breiten Öffentlichkeit zu vermitteln. Schon früh wurde klar, dass auch die Natursteinindustrie und die Rohstoffwirtschaft in die Aktivitäten rund um das Gestein des Jahres einbezogen werden müssen. Denn auch die Nutzung der Gesteine und ihre Bedeutung als Rohstoffe sind zu thematisieren.
Suevit als Globetrotter
Auf der Erde sind bisher über 200 Einschlagskrater bekannt. Mehr als 100 davon haben einen Durchmesser von über 5 km. Zu den bekanntesten zählen der Vredefort-Krater in Südafrika (Alter: ca. 2 Mrd. Jahre, Durchmesser: 250 bis 300 km) oder der Chicxulub-Krater in Yucatan/Mexiko (Alter: 66 Mio. Jahre, Durchmesser: ca. 180 km). Letzterer wird unter anderem mit dem großen Aussterbeereignis am Ende der Kreidezeit in Verbindung gebracht. Die weltweite Bedeutung des Nördlinger Rieses mit seinen zahlreichen wissenschaftlichen Erstbeschreibungen führte letztlich auch zur Gründung des RiesKraterMuseums vor über 30 Jahren und der Geschäftsstelle des Geoparks Ries im Jahr 2004. Im Jahr 2022 wurde der Impaktkrater als bisher einziger weltweit als UNESCO Global Geopark anerkannt.
Das Gestein des Jahres 2024 ist somit nicht nur in der Theorie interessant, sondern kann auch durchaus als Reisetipp für spannende Orte der gesamten Weltgeschichte verstanden werden.
Die Taufe des Gesteins des Jahres findet in diesem Jahr am 26. April 2024 im Geopark Ries statt.
Weitere Informationen unter: www.gestein-des-jahres.de
* Sedimentgestein aus kantigen, durch ein Bindemittel verkitteten Gesteinstrümmern
** in der Schwäbischen und Fränkischen Alb