Branchentreffen unter Sonderregeln
Zwei G und ein Plus brauchte es, um beim ForumMIRO live dabei sein zu können. Gut 500 Personen nahmen unter diesen Bedingungen am Leitkongress der deutschen Gesteinsindustrie vom 24.-26. November 2021 teil. Der Bundesverband Mineralische Rohstoffe hatte als Veranstalter diesmal unter dem Generalthema „natürlich innovativ!“ Themen in den Mittelpunkt gestellt, die scheinbar wenig mit der Gesteinsbranche zu tun haben. In der Realität sind sie dort aber fest verankert. Gestartet wird seit einigen Jahren regelmäßig mit einer politischen Podiumsdiskussion.
Zusammenfallende Ereignisse haben ihre Tücken, beispielsweise wenn der Haken unter dem Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Bundesregierung genau auf den Tag fällt, an dem eigentlich für den politischen Auftakt eine Zusage für die Podiumsdiskussion abgegeben wurde. Chris Kühn, Baupolitischer Sprecher Bündnis 90/Die Grünen und für die Keynote gebucht, musste deshalb kurzfristig absagen. Auch die IG Bau blieb unvertreten und so sehr MIRO-Geschäftsführerin Susanne Funk auch ihr Handy glühen ließ, saßen am Ende nur Constantin Borges, stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungen Liberalen, und Christian Gräff, Bau- und wohnungspolitischer Sprecher im Abgeordnetenhaus Berlin (CDU), mit den MIRO-Spitzen Dr. Gerd Hagenguth sowie Christian Strunk auf dem Podium, um unter der Überschrift: „Wie bauen wir unsere Zukunft – klimagerecht und bezahlbar?“ zu diskutieren. Tom Hegermann hatte als Moderator die richtigen Fragen dabei, aus dem Plenum kamen weitere und so entwickelte sich die Diskussion lebhafter als gedacht. Lösungen gibt’s freilich nach einem solchen Austausch nicht, doch immerhin stehen die Fakten im Raum und die beiden Politikvertreter zeigten ihren Sinn für die Realitäten. Die Zeit, in der Wunschdenken und Ideologien nicht mehr weiterhelfen, wird zweifelsfrei kommen. Dann zeigt sich: Jetzt und später klimafreundlich sowie bezahlbar zu bauen, wird ohne mineralische Roh- und Baustoffe aus primären und sekundären Quellen nicht funktionieren. 400.000 Wohnungen pro Jahr haben sich die Koalitionäre ins Regierungs-Stammbuch geschrieben, 300.000 wurden in guten Baujahren der jüngeren Vergangenheit geschafft. Von weiteren Windkraftanlagen, Brücken und Straßen gar nicht zu reden.
Die andere, für das Bauen sehr relevante, Seite der Medaille offenbart eine wachsende Abneigung gegenüber der heimischen Baurohstoffgewinnung. Dabei ist zusätzlich der Einsatz von RC-Material durch eine Wand aus Hürden limitiert. Und auch Holzbau wird in Größenordnungen nicht machbar sein, von bautechnischen Limits ganz zu schweigen. Obendrauf gibt’s die CO2-Besteuerung als Sahnehaube. Christian Gräff stellt klar, dass der Green Deal natürlich zusätzlich ins Gefüge der Branche eingreifen wird. Bezahlbar bauen? – Vergesst es! Besonders junge Leute wird es treffen. Alle diese Aspekte, so Dr. Gerd Hagenguth, müssten auf sämtlichen Ebenen von Politik und Verwaltung ankommen, um die gesellschaftlich richtigen Entscheidungen zu treffen.
Wer baut bspw. in Berlin unter diesem Druck + Mietendeckel noch für Mieter? – so eine Frage aus dem Plenum. „… hier könne man über Förderungen etc. steuern“, lautete die Antwort. Aber ehrlich: Unter ständigen Veränderungen von Rahmenbedingungen lässt sich doch niemand auf derartige Abenteuer ein. Der junge FDP-Vertreter Borges sieht das auch so und machte in der Runde eine gute Figur. Diskussionen um die Kiesgewinnung und Nachnutzungen in NRW kennt er aus eigenem Erleben und konnte feststellen, dass mit harten Gegnern wirklich sinnvolle Erörterungen nicht möglich sind. Ungünstig, wenn, wie Christian Strunk weiß, dann auch noch die zuständigen Behörden und Verwaltungen auf diesem Dampfer mitfahren. In Fällen, wo es die Rechtslage nicht hergibt, Sperrgrundstücke zu kaufen, damit Kiesgewinnung auch wirklich unmöglich wird, ist eine neue Stufe wirtschaftsschädigenden Verhaltens. Leider, leider hängen 400.000 Wohnungen (+780.000 bereits genehmigte), Gewinnung heimischer Gesteinsrohstoffe, Einsatz von Recyclingkörnungen und mineralische Baustoffproduktion so eng zusammen, dass das Scheitern eines Bereiches zum Scheitern des Gesamtzieles führen muss. Da kann die Branche noch so innovativ sein – am Ende folgt aus nichts einfach … nichts.
Im weiteren Verlauf bot die Plenarveranstaltung mit dem zugeschalteten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments, Rainer Wieland, Einblicke in die Ausgestaltung des Green Deal sowie die möglichen Folgen und ließ die Zuhörerschaft gedanklich mit dem Klimaforscher Prof. Dr. Markus Rex in die Arktis reisen. Anschließend ging es im Workshopformat um Möglichkeiten, die CO2-Reduzierungsziele zu erreichen und die Digitalisierung in der Branche voranzubringen. Die Beteiligung an der Erzeugung zukunftsträchtiger Energien sowie die bedarfsnahe Rohstoffversorgung als Beitrag zum gelebten Klimaschutz bildeten weitere Schwerpunkte. Natürlich waren auch dem tatkräftigen Beitrag der Branche am Recycling mineralischer Abfälle und der Folgenutzung von Gewinnungsflächen unter Klimaaspekten Hauptüberschriften gewidmet.
So sieht sie wirklich aus, die Branche der mineralischen Rohstoffindustrie. Geprägt von Unternehmen unterschiedlicher Struktur, hauptsächlich aber von KMU, gibt es hier keinen Stillstand, sondern immer rasche Entwicklungen nah am Zeitgeist.
Ein ausführlicher Beitrag zum fachlichen Angebot der großartigen Tagung – die wie üblich von einer Fachausstellung flankiert wurde – erscheint im Verbandsmagazin GP GesteinsPerspektiven 1/2022 im Februar.